Mein erstes Teleskop

Wer hat nicht schon voller Ehrfurcht den Sternenhimmel betrachtet und sich befreiend klein und unwichtig gefühlt? Also ich ziemlich oft.
Nun weiss man da normalerweise aber nicht so recht Bescheid. Manchmal habe ich morgens auf dem Weg zur Arbeit in Sonnennähe einen hellen Fleck gesehen, war das Sirius, Venus oder irgendwas anderes?

Wenn man sich solche Fragen stellt, ist man schon vom Astronomiefieber infiziert. Die Inkubationszeit dieser “Krankheit” kann mehrere Jahre betragen. Bei mir kam sie zum Ausbruch als ich kurz vor Weihnachten 2003 bei “Lidl” ein Teleskop für 79€ entdeckte. Ich reichte also bei meiner “Regierung” einen entsprechenden Weihnachtsgeschenkantrag ein, der positiv beschieden wurde.

Nun hatte ich zwar das Gerät, aber Weihnachten war noch einige Wochen entfernt. Es juckte mir in den Fingern. Als ich nun den Karton auf einem Regal verstaute, öffnete sich plötzlich der Deckel und das Handbuch und eine CD fielen heraus. Das Handbuch war gut geschrieben, trotzdem wurde mir klar, dass ich noch ein gewisses Informationsdefizit hatte. “Äquatoriale Montierung”, “20mm Okular”, was bedeutet das konkret? Auf der CD war das Programm “Starry Night”, damit kann man sich den aktuellen Sternenhimmel simulieren lassen.
Es ergab sich, dass am 10.12.2003 Saturn rechts vom Vollmond zu sehen sein müsste. Und tatsächlich, auf einem Spaziergang konnte ich ihn mit blossem Auge sehen. Ich hätte nicht gedacht, dass das so einfach wäre. Einige Tage später konnte ich dann den Mars betrachten, zur Vergrösserung nutzte ich in Ermangelung eines Fernglases meine Kamera mit einem Teleobjektiv. Ich sah ein gelbrotes Pünktchen in was weiss ich wie vielen Millionen Kilometern Entfernung!

Nun war die Frage, was ich zu Weihnachten durch mein Teleskop würde sehen können. So begann ich zu surfen und tauchte in die faszinierende Welt der Hobbyastronomen ein (siehe auch hier).

Hier erfuhr ich, dass mein Teleskop gar nicht mal so schlecht war, dass man es aber durch bestimmte Massnahmen, wie z.B. das Bekleben der Innenflächen mit reflexmindernder Folie, noch verbessern kann:
Binoviewer Testbericht 70/700 Lidl Refraktor

Das ständige Herumfummeln an ihren Beobachtungsinstrumenten scheint bei den Hobbyastronomen die Regel zu sein, wenn man den Links von obigem Link folgt, erfährt mann, dass beim “Lidl” vom Okularauszug innen ein Stückchen abgesägt werden muss, und dass dieser zusätzlich noch eine überflüssige Blende enthält. Faszinierend!

Bei der Modifikation gekaufter Instrumente ist jedoch noch längst nicht Schluss, es gibt doch tatsächlich Leute, die sich ihre Teleskope komplett selbst bauen. Komplett bedeutet dabei, dass sogar der Spiegelteleskop-Spiegel selbst geschliffen wird:
Stathis Astronomie und Teleskopbauseiten

Es gibt nun viele Hobbys bei denen mit Hightech gespielt wird. Computer, Fotographie, Hifi …
Aber bei welchem kann man ein konkurrenzfähiges Gerät komplett selbst bauen?

Die Seite dieses jungen Mannes hat mich ebenfalls begeistert, erst einmal sieht sein “Alu-Dobson” verdammt gut aus. Zusätzlich ist aber der Umbau einer Webcam für lange Belichtungszeiten höchst interessant.
Dobsonteleskope für Amateure

Was soll man aber nun beobachten? Ich persönlich möchte zunächst einmal alle Planeten mit den eigenen Augen sehen. Danach vielleicht einen Blick auf den Andromedanebel. Aber dann? Abgesehen davon dass es in grossen Entfernungen von der Erde sicherlich noch jede Menge zu sehen gibt, spielt sich auch im erdnahen Raum eine ganze Menge ab. Tausende von künstlichen Satelliten umkreisen unseren Planeten. Viele sind mit blossem Auge sichtbar, wenn man weiss, wo man gucken muss. Die Raumstation ISS kann man sogar detailliert beobachten und fotographieren. Die Antennen der Satelliten für die “Iridium”-Handys spiegeln das Sonnenlicht zur Erde, das nennt man “Iridium-Flares”. Bilder und Beobachtungsdaten für den österreichischen Raum um Wien kann man auf folgender Seite finden:
Gerhard Dangls Seiten

Nun fühle ich mich nicht nur angesichts des Firmaments klein und schmutzig, sondern erst recht durch das geballte “Doing” dieser Hobbyastronomen. Was kann ich denn jetzt bauen?
Als erste Idee schwebt mir ein Lidl-Zwilling vor, zwei Lidls auf einer Montierung müssten ohne Taukappen einen Okularabstand von 70 mm haben, vielleicht kann man da dann mit beiden Augen gucken? Zum Glück habe ich Mitte Januar Geburtstag!

Weiterhin würde ich gern mehrere Lidls koppeln. Das Preis/Öffnungsverhältnis ist nämlich nicht so schlecht. Für den Preis eines 400mm-Spiegels von ca. 5000 € kann man immerhin 62 Lidl-Scopes (aktueller Preis 79,95 €) erwerben. Der grosse Spiegel hat dabei 400*400/(62*70*70) = 160.000/216.000, also nur 53 Prozent der Fläche der Eintrittsöffnungen der 62 Lidl-Scopes.
Zum Aufsummieren der von mehreren Lidls gleichzeitig erzeugten Bilder schwebt mir ein Verfahren der “Back Projection” vor. Dabei würden die Einzelbilder, die gleichzeitig an verschiedenen Standorten aufgenommen wurden, z.B. auf eine virtuelle Marskugel projiziert.

Ferner möchte ich gern die “psychologische Vergrösserung” des Vollmondes oder der Sonne in Horizontnähe untersuchen. Was würde passieren, wenn man in ein Okular einen “künstlichen Horizont” in Form eines Schattenrisses einiger Bäume einmontierte? Liessen sich Auge und Gehirn dadurch täuschen?

Erst einmal werde ich aber Heiligabend mein Teleskop aufstellen 🙂